NEWS DES TAGES: IRAN, ISRAEL, AUßENPOLITIK, JULIAN NAGELSMANN

Israel und Iran bemühen sich um Deeskalation. Der Kanzler und die Außenministerin betreiben vergeblich Krisendiplomatie. Und Julian Nagelsmann bleibt bis zur WM Bundestrainer. Das ist die Lage am Freitagabend.

1. Kann der große Krieg verhindert werden?

Für Entwarnung ist es zu früh, aber was bisher bekannt ist, macht ein wenig Hoffnung: Israel hat in der Nacht zum Freitag offenbar Ziele in Iran angegriffen. Dabei scheint es allenfalls geringen Schaden gegeben zu haben. Es sieht so aus, als hätten weder Israel noch Iran derzeit Interesse an einem großen Krieg im Nahen Osten.

Das muss man mit aller Vorsicht sagen. Wie mein Kollege Thore Schröder berichtet, gibt es derzeit kaum gesicherte Erkenntnisse darüber, was tatsächlich vorgefallen ist. In den sozialen Medien zirkulierten in der Nacht zu Freitag Berichte von Explosionen in Isfahan, wo sich eine große Anlage zur Urananreicherung befindet. Iranische Militärs erklärten, die Flugabwehr sei aktiviert worden. Die halbamtliche Nachrichtenagentur FARS meldete drei Explosionen in der Nähe eines Militärstützpunkts.

DER SPIEGEL fasst die wichtigsten News des Tages für Sie zusammen: Was heute wirklich wichtig war - und was es bedeutet. Ihr tägliches Newsletter-Update um 18 Uhr. Jetzt kostenfrei abonnieren.

Nach iranischen Angaben sind keine Atomanlagen beschädigt worden. Es sollen einige Drohnen abgeschossen worden sein. »Die Dementis und Relativierungen sprechen dafür, dass das Mullah-Regime – selbst wenn es tatsächlich Israel war, das einen Angriff auf iranischem Staatsgebiet durchgeführt hat – an einer Deeskalation interessiert ist«, schreibt Thore.

Das Gleiche scheint für die israelische Seite zu gelten, obwohl Iran mehr als 300 Drohnen und auch ballistische Raketen auf das Land abgefeuert hatte. Thore zitiert einen israelischen Beamten mit der Einschätzung, man habe Iran bloß seine Fähigkeiten beweisen wollen.

Selbst wenn der große Krieg erst einmal verhindert wurde, der Schattenkrieg geht weiter. Wie gefährlich der Konflikt zwischen Israel und Iran ist und wie nahe das Regime in Teheran der Bombe schon gekommen ist, haben meine Kolleginnen und Kollegen in der neuen Titelgeschichte des SPIEGEL nachgezeichnet. Sie kommen zu einem besorgniserregenden Fazit: »Ein großer Krieg im Nahen Osten ist in diesen Tagen so nahe wie noch nie. Und auch nachdem Israel nun offenbar mit einem begrenzten Schlag geantwortet hat, bleibt das Risiko hoch.«

2. Leichtgewichte reisen durch die Welt

Bundeskanzler Olaf Scholz reist nach Peking, um die chinesische Führung zu treffen. Außenministerin Annalena Baerbock streitet in Jerusalem mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu. Wirtschaftsminister Robert Habeck fährt derweil im Nachtzug nach Kiew und sichert wieder einmal deutschen Beistand zu.

»Selten zuvor war eine Bundesregierung so rege darum bemüht, Kriege einzudämmen und neue zu verhindern«, schreiben meine Kollegen aus dem Hauptstadtbüro in ihrer Analyse. Das sei ehrenwert, aber bislang vergeblich. »Deutschland findet kaum Gehör in der Welt.« Es gilt schon als großer Erfolg, wenn der chinesische Präsident Xi Jinping sich mehr Zeit nimmt als geplant – auch wenn er in den entscheidenden Fragen keinerlei Zugeständnisse macht.

Ob Baerbock Iraner und Israelis mahnt, ob Scholz die Chinesen an ihre Verantwortung erinnert – die Angesprochenen beeindruckt das wenig. »Ich möchte klarstellen, dass wir unsere Entscheidungen selbst treffen werden«, sagte Netanyahu nach seinem Gespräch mit der Außenministerin. Die Deutschen machten sich Illusionen, sagt Guntram Wolff, Wissenschaftler am Brüsseler Institut Bruegel. »Die Bundesrepublik hält sich zu Unrecht für einen großen geopolitischen Player.«

3. Bye-bye Bayern

Die Bayern hatten sich Hoffnungen gemacht, aber Julian Nagelsmann wird – vorerst – nicht nach München zurückkehren. Stattdessen hat er sich entschieden, seinen Vertrag als Trainer der Fußballnationalmannschaft bis zur Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Kanada und Mexiko zu verlängern. Das Votum im DFB-Präsidium war nach Recherchen meiner Kollegen Peter Ahrens und Jörn Meyn einstimmig.

Die Entscheidung hätte noch vor wenigen Monaten wohl kaum jemand erwartet. Doch die überzeugenden Siege gegen Frankreich und die Niederlande haben eine neue Begeisterung für die Nationalmannschaft entfacht und Nagelsmanns Position gestärkt. Er hat jetzt freie Bahn.

»Das Kalkül des DFB kann aufgehen«, schreiben meine Kollegen in ihrer Analyse. »Nagelsmann kann sich voll auf die EM konzentrieren, es gibt zumindest keine Ablenkungsmanöver mehr.« Genauso gut könnte die Sache aber auch schiefgehen. Die Deutschen haben in den vergangenen Jahren oft gegen mittelmäßig eingeschätzte Teams verloren, und in der EM warten in der Vorrunde Schottland, Ungarn und die Schweiz.

Und die Bayern? Müssen sich halt einen anderen Trainer suchen. Vielleicht wird es ja irgendwann etwas mit der Rückkehr des gefeuerten Sohns. Jupp Heynckes ist vom Verein auch entlassen worden und hat dann nach der Rückkehr die Champions League gewonnen. Schaun mer mal.

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Zwei Festnahmen wegen Angriffs auf Nawalny-Vertrauten: Leonid Wolkow organisierte Alexej Nawalnys politische Kampagnen aus dem litauischen Exil und wurde dort zuletzt mit einem Hammer attackiert. Nun sind zwei Verdächtige in Polen aufgegriffen worden.

  • Zehntausende Mitarbeiter der Deutschen Bahn bekommen »Erfolgsbeteiligung«: Trotz mieser Jahresbilanz will die DB rund 42.000 Beschäftigten Boni für 2023 auszahlen. Laut NDR liegen die Kosten dafür in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe. Für die Vorstandsebene gilt jedoch eine andere Regelung.

  • Forscher finden offenbar neue Hinweise auf unentdeckten Planeten im Sonnensystem: Merkur, Venus, Erde... Acht Planeten umfasst unser Sonnensystem – mindestens. Seit Jahren vermuten Astronomen, dass es jenseits von Neptun einen neunten Planeten gibt. Ihnen zufolge verdichten sich nun die Anzeichen.

  • Betrug beim Halbmarathon – Chinas bester Läufer disqualifiziert: He Jien hat das Rennen in Peking nur gewonnen, weil ihn drei andere Läufer kurz vor dem Ziel vorgelassen hatten. Der Vorgang entwickelte sich zu einem Kuriosum, das Folgen hat.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • »Man kann Maler nicht ohne Farbe auf die Baustelle schicken«: Die Berliner Justizsenatorin und frühere Verfassungsschützerin Felor Badenberg macht der Bundesregierung schwere Vorwürfe: Die Ampel erschwere den Sicherheitsbehörden die Arbeit.

  • Döner, Baller-League, Wahlkampfhilfe: Als Lukas Podolski zu seinem Herzensverein Górnik Zabrze wechselte, jubelten die Fußballromantiker. Sportlich hat er das polnische Team zwar nicht groß weitergebracht. Sein Einfluss auf den Klub ist dennoch gewaltig.

  • Ihre Geheimnisse flüstert sie ins Ohr der Fans: Der eine war langweilig, der andere unberechenbar. »The Tortured Poets Department« ist Taylor Swifts brillanter Abgesang auf ein doppeltes Ende: einer Beziehung und einer Affäre. Was bleibt? Die Enttäuschung.

  • Sex and Drugs and Produktempfehlungen: Zum ersten Mal seit Jahren ist das legendäre Coachella-Festival nicht ausverkauft. Was sagt uns das über den Zustand des Pop und der Jugend?

Was heute weniger wichtig ist

What’s your point: Der argentinische Torwart Nahuel Guzmán, 38, ist nach einer Attacke mit einem Laserpointer für elf Spiele gesperrt worden. Er erhielt außerdem eine Geldstrafe und muss gemeinnützige Arbeit verrichten, wie die Liga in Mexiko mitteilte. Er hatte während einer Partie seines Klubs Tigres aus Nuevo Leon den gegnerischen Keeper Esteban Andrada mit dem Licht gestört. Guzmán wird aufgrund der Sperre den Rest der Meisterschaft verpassen.

Mini-Hohlspiegel

Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.

Cartoon des Tages

Und am Wochenende?

Gehe ich ins Kino. Ich freue mich immer auf den neuesten Woody Allen, ich finde viele seiner Filme großartig, nur wenige wirklich schlecht und selbst die mittelmäßigen immer noch unterhaltsamer als das meiste, was sonst so im Kino läuft. »Ein Glücksfall« ist sein 50. und vermutlich letzter Film, eine Mischung aus Liebesgeschichte und Kriminalfall, er spielt in Paris und ist auf Französisch gedreht, das gefällt mir.

Ein Kritiker der »Frankfurter Allgemeinen« bemängelte, man merke schon zu Beginn, dass der Film nicht von einem Franzosen stamme, ein Einwand, der mich ratlos macht. Außerdem, so mäkelt der Kollege, sei die Ausstattung so pariserisch wie ein Dekorationsentwurf für ein Museum. Klingt so, als werde mir der Film gefallen.

Noch ein Wort zu einem Thema, ohne das kaum eine Rezension auskommt: Ich weiß nicht, ob an den Vorwürfen etwas dran ist, Allen habe seine Adoptivtochter missbraucht. Ich weiß das so wenig wie die Schauspieler und Schauspielerinnen, die ihm ihre Karriere mitverdanken, und die hinterher nicht mehr mit ihm drehen wollten, obwohl die Fakten schon vorher bekannt waren. Ich weiß es so wenig wie die Autorinnen und Autoren, die Allens deutschen Verlag gedrängt haben, seine Biografie nicht zu veröffentlichen.

Ich habe mir durchgelesen und angeschaut, was über den Fall veröffentlicht ist. Ich finde nicht, dass die Beweislage gegen Allen erdrückend ist. Ich finde, dass der Grundsatz innocent until proven guilty auch für Personen des öffentlichen Lebens gilt. Aber das kann selbstverständlich jeder halten wie er will. Ich freue mich jedenfalls auf »Ein Glücksfall«.

Einen schönen Abend. Herzlich

Ihr Ralf Neukirch, Leiter Meinung und Debatte

2024-04-19T15:53:52Z dg43tfdfdgfd