PUR AUF DEM TOLLWOOD MüNCHEN – MIT SEVERIN VON SYDOW AN DER GITARRE

Im Porträt: Pur-Gitarrist Severin von Sydow

Pur auf dem Tollwood München – mit Severin von Sydow an der Gitarre

6000 Fans feierten auf dem Tollwood München Pur. Seit mehr als 40 Jahren stehen Hartmut Engler und Co. auf der Bühne – und mit ihnen seit 2022 der junge Gitarrist Severin von Sydow. Ein Gespräch.

Jetzt mal ernsthaft: Pur? Stell dir vor, du bist 27 Jahre alt, hast Musik in Los Angeles und Berlin studiert, tourst als Gitarrist mit anderen Sängern, probierst dich auch selbst gesanglich aus, schreibst Songs, für dich und andere – und dann ruft dich Hartmut Engler an und fragt, ob du Lust hast, mit auf Tour zu gehen. Jetzt nicht als Kofferträger. Große Bühne, Gitarre in der Hand, rechte Seite neben dem Schlagzeug, kreischende Fans jeden Abend. „Mir war sehr schnell klar, dass ich das machen möchte.“ Sagt Severin von Sydow. Der junge Kerl, der seit zwei Jahren bei den Shows der Erfolgsband aus Bietigheim-Bissingen auffällt.

Mit seinen Wuschelhaaren und den gut definierten Oberarmen unterm lässigen Tanktop wirkt er optisch wie eine deutsche Version von Shawn Mendes. Man könnte ihn sich auch gut als Gitarristen in einer Indie-Band vorstellen, englische Texte, schrabbelige Night Clubs, Insider-Tipp. Doch Severin von Sydow lebt einen anderen Traum. Und wer die ausverkaufte München-Show von Pur am 21. Juli 2024 auf dem Münchner Tollwood erlebt hat, der sieht, wie sehr er es genießt.

Severin von Sydow ist selbst seit jungen Jahren Pur-Fan

Tags drauf der Griff zum Hörer. Man möchte doch jetzt mal wissen, wer dieser Mann ist, den Pur-Frontmann Engler seit zwei Jahren Show für Show als engen Freund vorstellt, den er, Engler, hat aufwachsen sehen. Ein Sohn von Freunden, „ich kenne Severin seit 20 Jahren und habe seine musikalische Entwicklung verfolgen können“, erzählt Engler auch beim Konzert in München. Von Sydow bestätigt’s am nächsten Morgen im Gespräch mit unserer Zeitung: „Hartmut hat auch zwei Söhne in meinem Alter und wir waren gut befreundet. Vor zwei Jahren rief er mich dann völlig unverhofft an und fragte, ob ich mir vorstellen könnte, bei ihnen zu spielen.“ Er wollte. „Ich bin mit den Songs aufgewachsen. Meine Mama ist vermutlich der größte Pur-Fan, den es gibt. Ich hab mir gedacht, dass das sehr viel Spaß machen wird. Und so ist es auch gekommen. Das hat man hoffentlich gestern gemerkt“, meint er lachend. Hat man. Ganz natürlich fügt sich das neue Mitglied in die Dynamik der Gruppe ein, die sich vor unfassbaren 49 Jahren als Schülerband gründete, zweimal umbenannte, seit 1985 als Pur tourt – und nun mit Severin von Sydow drei Mitgliedergenerationen vereint.

„Für mich war das Einfügen extrem angenehm, neben den herzlichen Kollegen auch dadurch, dass ich auf eine Bühne komme, auf der alles schon seit Jahrzehnten einstudiert ist und funktioniert. Und davor ein Publikum wartet, das jeden Song frenetisch abfeiert – bevor wir überhaupt die erste Note gespielt haben.“ Der heute 29-Jährige hält sich meist eher im Hintergrund, erfreut sich daran, aus dieser ungewohnten Perspektive zu sehen, wie „die Jungs vorne die Songs abfeiern. Die spielen seit 40 Jahren zusammen, das ist jedes Mal wieder schön, das als Bild zu sehen“, sagt von Sydow. Aber klar, ganz besonders sind die Momente, in denen er für Soli an die Rampe geht, sich auch selbst ein bisschen von den Fans feiern lassen kann. Wie haben die ihn eigentlich aufgenommen? „Ich bekomme wirklich liebe, herzliche Nachrichten, auch von jungen Fans. Ich stehe ja im Grunde für diejenigen im Publikum, die ins Pur-Fansein hineingewachsen sind: die die Band von klein auf mit ihren Eltern gehört haben und jetzt als Erwachsene selbst auf die Konzerte gehen.“

Am Ende feiern alle zum Pur-Hitmix

Hier erklärt sich auch, warum er keine Zweifel hatte, sich auf die Reise ins Schwabenteuerland einzulassen. Pur. Man kann sich herrlich lustig machen über das Lokalkolorit, über Englers gefühlvolle Texte, über die immer gleich choreografierten Shows. Tun manche. Und recken dann doch wieder beim Pur-Hitmix im Partykeller die Arme in die Höhe, tanzen zu „Indianer“, grölen zu „Lena“ – und werden heimlich sentimental bei „Funkelperlenaugen“. Pur ist ein Phänomen. „Ich denke, vor allem die Texte sind das, was Pur auszeichnet. Weil sie ganz, ganz ehrlich und gleichzeitig durchaus poetisch sind. Außerdem klare Botschaften rausschicken in Bezug auf unangenehmere Themen. Das ist, was ich echt extrem feiere.“

Neben Pur arbeitet Severin von Sydow in seiner Wahlheimat Wien weiter an eigener Musik. Voraussichtlich Ende des Jahres erscheint sein neues Album. Sein erstes hieß „Zehn Leben“. Eine hörenswerte Auseinandersetzung mit der Frage, für welchen Weg man sich entscheiden soll bei all den Möglichkeiten. Sein jetziger Weg klingt ziemlich gut: „Ich habe das Privileg, meinen Traum leben zu dürfen – das war schon immer, von Musik leben zu können. Das ist wirklich ein Geschenk.“ Pures Glück.

2024-07-22T14:58:48Z dg43tfdfdgfd