KAISERMANIA 2024: SO WAR DAS JUBILäUMSKONZERT VON ROLAND KAISER AM ELBUFER IN DRESDEN

50 Jahre, 50 Hits: Zum Bühnenjubiläum blickt Schlagerstar Roland Kaiser in Dresden auf seine lange Karriere zurück, macht ein großes Versprechen für die Zukunft - und bricht sein eigenes Tabu.

Dresden. Ein Evergreen, erklärt Roland Kaiser nach einer halben Stunde Konzert, das sei ein Lied, das länger lebt als der Künstler selbst. Und so träume ein jeder Künstler auch davon, einmal einen Evergreen zu haben. Begegnet sei ihm ein solches Lied zum ersten Mal 1980. Die Fans wissen: Ihr Idol stand damals erst seit sechs Jahren auf der Bühne - praktisch nichts im Vergleich zu dem, was noch folgen sollte.

Roland Kaiser will dieses Lied in Dresden, wo er bei der Kaisermania gerade sein 50-jähriges Bühnenjubiläum feiert, am Freitagabend mit dem Publikum singen. "Ihr seid jetzt der Chor", erklärt er, der Text sei ganz einfach: "Umdada umdada umdada ..." Doch die gut 12.000 Fans begnügen sich nicht mit dieser viel zu simplen Aufgabe: Von vor der Filmnächte-Bühne bis hoch oben unter den Sonnensegeln singen sie gemeinsam "Santa Maria", perfekt bis zum "Fieber, das wie Feuer brennt". Es ist ein Gänsehautmoment, der sich in Jubel auflöst.

Kaiser, im schneeweißen Anzug, kann nur staunend zusehen. Oder kokettiert er damit, wirklich zu glauben, dass das Publikum einen seiner größten Hits nicht schon beim ersten "Umdada" erkennen würde? Kurz zuvor hat sich der 72-Jährige unter begeisterten Rufen seines weißen Jacketts und der schwarzen Krawatte entledigt, noch augenzwinkernd einen Hemdknopf geöffnet, um dann zu sagen: "Mehr" - Pause - "wird's nicht". Kokettieren kann er also.

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Aber der Schlagerstar wirkt ehrlich gerührt in diesem Moment, als ihm Santa Maria aus den Händen genommen wird. Später, bei einem anderen Hit, erkennt er in der Menge vor sich viele jüngere Menschen. "Die können den Text mitsingen, wie kann das denn sein?", fragt er ungläubig. "Das ist von 77!" Er lässt eine Strophe gleich noch einmal vom Publikum singen. Fehlerfrei.

Kaisermania - "Darauf freut man sich das ganze Jahr"

Das mit den jungen Leuten, das könnten ihm Celina und Michelle aus Chemnitz erklären. Kurz vor Konzertbeginn stehen die jungen Frauen nur ein paar Reihen von der Bühne entfernt. Sie sind zum dritten beziehungsweise vierten Mal bei der Kaisermania und Fans von Kindheit an. "Wir sind so aufgewachsen, unsere Mama hat das immer gehört", erzählen sie. Die Mama steht hinter ihnen und lächelt stolz. Die Kaisermania sei der jährliche Familienausflug. "Darauf freut man sich das ganze Jahr."

Nach Lieblingssongs gefragt, müssen sie nicht lange überlegen: Affäre. Und Amore Amore. Was sie an der Musik Roland Kaisers so berührt? "Die Texte. Er erzählt Geschichten aus seinem Leben, die man auf sein eigenes Leben projiziert."

Seine eigene Geschichte als Schlagersänger beginnt 1974, da ist Roland Kaiser Anfang 20 und Celina und Michelle sind noch lange nicht geboren. Doch zu Beginn seiner Karriere sei er erfolglos gewesen, erzählt Kaiser auf der Bühne in Dresden, zwei Jahre lang. "Jedes meiner Lieder war eine Art Ladenhüter." Bis dann 1976 der erste Hit kam: "Frei, das heißt allein."

Tiefe Verbundenheit der Fans zu Roland Kaiser

Mit diesem Lied nimmt Kaiser sein Publikum mit auf "eine Reise durch die Jahre" und stimmt eines von insgesamt drei großen Medleys an diesem Abend an. Diese helfen ihm, sein Versprechen für die Jubiläumstour zu halten: 50 Jahre - 50 Hits. Gut die Hälfte davon sind in Medleys verpackt, den Rest singt Roland Kaiser in Gänze. Was bedeutet, dass er zweieinhalb Stunden lang, mit Ausnahme der Soloparts seiner Band und weniger kurzer Moderationen, fast ununterbrochen singt.

Meist allein, mal im Duett mit den Backgroundsängern Christiane Eiben und Billy King - und oft unterstützt von seinem jüngeren Ich: Der Roland Kaiser von damals, mit halblanger Mähne und schmachtendem Blick in der Hitparade, singt auf den Bühnenhintergrund projiziert lippensynchron die Songs des heutigen Roland Kaisers mit.

Nur einmal sind die Fans dabei nicht ganz so textsicher. Da singt Roland Kaiser "In the Ghetto" von Elvis Presley. Mit diesem Song habe er sich damals bei seiner Plattenfirma beworben, ohne ihn wäre er heute nicht hier, erzählt er. Doch das Lied habe noch eine weitere wichtige Bedeutung für ihn: Presley setze sich darin für Menschen ein, die auf der Strecke geblieben seien. "Ein erstaunliches Lied."

Es ist einer von wenigen Momenten, in denen Roland Kaiser, der sonst so locker und leicht von der Liebe und dem Sich-Lieben singt, andeutungsweise sozialkritisch wird. In "Zuversicht" heißt es: "Schau mir bitte ins Gesicht / Ich will sehen, was dahinter ist / Hinter all dem Hass und den Parolen / Was hat dir dein Herz gestohlen? / Komm zurück zu dir."

Als der Sänger "Liebe kann uns retten" anstimmt, werden Tausende Papiertaschentücher gezückt und im Rhythmus der Musik über den Köpfen geschwungen. Ein weißes Meer, das wie eine Kapitulation wirken könnte, aber ein Zeichen des Friedens ist. Denn Kaiser singt: "Es brennt noch Licht am Horizont / Das Böse hat noch nicht gewonnen." Jedes Mal mache ihm dieses Bild noch Gänsehaut, sagt er danach.

Das Taschentuch-Meer ist zum Ritual geworden bei den Konzerten von Roland Kaiser. Eines von vielen Dingen, welche die tiefe Verbundenheit der Fans mit ihrem Idol ausdrücken. Wie die unzähligen pinken Krönchen, auf denen "RK" steht und die in der Dämmerung leuchten; die Plastikbecher, die nach den Konzerten nicht wieder gegen Pfand abgegeben werden, sondern als Schätze in Vitrinen wandern - zu den anderen Jahrgängen mit Roli-Motiv.

"Ich brauche keine Therapie, ich muss nur Roland Kaiser hören"

Und dann die T-Shirts. Auf Hunderten steht "Es geht schon wieder los" oder "Warum hast du nicht nein gesagt?". Manche Fans kommen in der ganzen Gruppe im Partnerlook. Mal sind die Namen aller Gruppenmitglieder auf den Rücken gedruckt, mal verkündet ein Polohemd stolz, seit welchem Jahr sein Träger die Kaisermania schon besucht. Ein Mann erklärt mittels Rückenaufdruck gar: "Ich brauche keine Therapie, ich muss nur Roland Kaiser hören."

Diese Liebe zum Kaiser erstreckt sich auch auf seine Musiker. In der Gästelisten-Schlange kann man Gespräche überhören wie: "Tina Tandler! Die war auch bei den Jazztagen - grandios." Das erklärt eine Frau in pinker Bluse wissend ihrer Begleiterin. "Auch die restlichen Leute, die auf der Bühne stehen: alles Vollprofis."

Saxophonistin Tina Tandler, im Glitzerkleid und mit feuerrot wallender Mähne, erntet tatsächlich stürmischen Applaus für ihre Soli. Und Roland Kaiser selbst tut alles dafür, seine Musiker immer wieder in den Vordergrund zu stellen. Als sich Backgroundsänger und Musikproduzent Billy King nach dem Duett "She's a Lady" schnell wieder in den Hintergrund zurückziehen will, schiebt Kaiser ihn für den gebührenden Applaus noch einmal an den Bühnenrand, wo King sich dann ein wenig schüchtern verbeugt.

Dann muss Roland Kaiser selbst über seinen Schatten springen. Denn versprochen ist versprochen. Und es sind ja nicht nur 50 Bühnenjahre - dieses Konzert ist das 50. der Kaisermania. Da muss er auch dieses Lied spielen, mit dem er nie im Reinen gewesen sei, von dem er schon beim ersten Singen erkannt habe: "Das ist nicht dein Lied." Und das dennoch ein Riesenhit wurde. Zehn Jahre lang habe er es schon nicht mehr gespielt. "Aber ich dachte mir, 50 Jahre Bühnenjubiläum ohne 'Sieben Fässer Wein' wird wohl nicht gehen." Das Publikum gibt ihm lautstark recht.

Vier Konzerte zur Kaisermania in Dresden

Doch Kaiser, dessen Musik seit ein paar Jahren modernere Arrangements hat, gibt den verhassten sieben Fässern Wein einen besonderen Twist: Sie sollen klingen, als seien sie erst gestern aufgenommen worden. "Sieben Fässer Wein, Jahrgang '24", sagt der Sänger. "Zum Wohl." Was nach dem Entkorken herauskommt, klingt anfangs verdächtig nach dem Hit "Shape of you" von Ed Sheeran - elektronisch und verführerisch tanzbar. Und dann doch noch wie der Kaiser-Hit aus dem Jahr 1977.

Nach knapp 2,5 Stunden Rückschau verabschiedet Roland Kaiser sich unter lautem Applaus und nach einer geplanten Zugabe inklusive "Joana" von der Filmnächte-Bühne. Es war das erste von vier Konzerten der Kaisermania, schon am Samstag folgt das nächste. Doch der Schlagerstar gibt bereits jetzt ein Versprechen ab: "Ich bin sicher, auch mein 60. Jubiläum zu feiern." Und wo, wenn nicht in Dresden?

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