STUDENTEN-OSCAR: KARRIERESPRUNGBRETT FüR DEUTSCHE FILMEMACHERINNEN?

Der Regisseur Jens Kevin Georg, Absolvent der Filmuniversität Babelsberg, gewinnt einen Studenten-Oscar. Immer wieder werden Filmemacherinnen aus Deutschland mit dieser Trophäe ausgezeichnet, doch folgt darauf tatsächlich eine große Karriere?

In Deutschland herrscht allerorten Sorge über den Mangel an qualifiziertem Nachwuchs. Für das Filmschaffen scheint dies nicht zu gelten. Seit vielen Jahren werden deutsche Regisseure und Regisseurinnen bei den sogenannten Studenten-Oscars ausgezeichnet, die von der Academy vergeben werden. Es ist eine beeindruckende Erfolgsbilanz, Jahr für Jahr gewinnen Absolventen der Filmschulen in München, Berlin oder Ludwigsburg. Jetzt darf sich Jens Kevin Georg freuen, der für seinen 26-minütigen, an der Filmuniversität Babelsberg entstandenen Kurzfilm »Kruste« prämiert wird.

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Der Preis, der seit über 50 Jahren vergeben wird, kann ein Sprungbrett sein. Für Hollywoodregisseure und -produzenten wie Spike Lee, Robert Zemeckis oder den heutigen Pixar-Chef Pete Docter war er ein Karrierebooster. Auch deutsche Regisseure wie Wolfgang Becker (»Good Bye, Lenin!«), Katja von Garnier (»Abgeschminkt!«) oder İlker Çatak (»Das Lehrerzimmer«) konnten ihn mit nach Hause nehmen. Florian Gallenberger, der aufwendige Kinoproduktionen wie »John Rabe« (2009) oder »Colonia Dignidad« (2015) inszeniert hat und neben Alexandra Maria Lara Präsident der Deutschen Filmakademie ist, gewann ihn 2000 für seinen Abschlussfilm »Quiero Ser«.

Als die Academy damals bekanntgegeben habe, dass er zu den Preisträgern gehören würde, sei er gerade beim Festival in Cannes gewesen, erinnert er sich. Die Reaktion der deutschen Filmbranche sei eher verhalten gewesen, so der heute 52-Jährige. Er habe eine »gewisse Interesselosigkeit« verspürt. Doch als er nach Hollywood gereist sei, um den Preis in Empfang zu nehmen, hätten sich amerikanische Agenturen an ihn gewandt. Er entschied sich für eine von ihnen und wird bis heute von ihr vertreten. 2001 gewann Gallenberger mit »Quiero Ser«, der von Straßenkindern in Mexiko-Stadt handelt, auch bei den Haupt-Oscars den Preis für den besten Kurzfilm.

Bei den Studenten-Oscars wurde der Regisseur – wie die meisten Deutschen in der Geschichte dieses 1972 ins Leben gerufenen Preises – für die beste ausländische Produktion prämiert. Seit 2022 gibt es diese Kategorie nicht mehr. Jens Kevin Georgs Film über das Erwachsenwerden eines Zwölfjährigen konkurrierte mit Werken amerikanischer, japanischer und französischer Filmemacher- und -macherinnnen. Insgesamt gab es über 2500 Einreichungen von nahezu 750 Filmschulen. Es gibt Preise in vier Kategorien, 12 Filme wurden jetzt ausgewählt. Wie bei der Olympiade geht es bei der Verleihung am 14. Oktober in London um Gold, Silber und Bronze.

Der Grund, warum Filmschaffende aus Deutschland bei den Studenten-Oscars immer wieder so gut abschneiden würden, sei die Anzahl und Qualität der Filmschulen, die es bei uns gebe. Davon ist Gallenberger, der in München studierte, überzeugt. Bundesländer wie Bayern oder Baden-Württemberg würden sich mit ihnen schmücken und sie oft exzellent ausstatten. »Wenn du in den USA Film studieren willst, musst du dafür Zigtausend Dollar Gebühren bezahlen, findest aber oft nicht die gleichen Möglichkeiten vor wie in Deutschland«.

Wohin mit all den Talenten?

Deutschland verfüge über eine Talentschmiede, an der auch große Filmnationen wie Frankreich Maß nehmen könnten. Die Frage sei nur: Wohin mit den ganzen Talenten? Gallenberger schätzt, dass in Deutschland jedes Jahr rund 70 sehr gut ausgebildete Regisseure und Regisseurinnen auf den Markt kommen würden – doch der sei dafür zu klein. Dies könnte einer der Gründe sein, warum sich zwar manche mit dem Studenten-Oscar prämierte Filmemacher wie Florian Baxmeyer (»Die drei ??? – Das Geheimnis der Geisterinsel«) oder Thomas Stuber (»In den Gängen«) behaupten konnten, andere dagegen kaum mehr von sich hören machten.

Natürlich wünscht man dem 30-jährigen Georg, der die Oscar-Auszeichnung »absolut wahnsinnig« findet, nur das Beste – und ihm für die Verleihung im Oktober nach Möglichkeit Gold. Ob er es in den kommenden Jahren zum erfolgreichen Regisseur schaffen wird oder nicht, dürfte allerdings nicht nur von ihm selbst abhängen. Sondern vor allem von einer Branche, die ihren Nachwuchskräften die Chance geben muss, ihre Fähigkeiten mehr als einmal unter Beweis zu stellen.

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