DONALD TRUMP UND DIE AFFäREN: EX-VERLEGER DAVID PECKER PACKT VOR GERICHT AUS

Der erste Kronzeuge ist ein alter Freund: David Pecker sorgte dafür, dass Donald Trumps Sexaffären vertuscht wurden. Vor Gericht enthüllt er, wie das System funktionierte – und wie der spätere Präsident daran beteiligt war.

David Pecker wirkt wie ein lieber Großvater. Das weiße Haar nach hinten gekämmt, der buschige Schnäuzer frisiert, das Gesicht sanft gebräunt. Jemand, der seine goldenen Jahre im Wohlstand genießt.

Als ihn Staatsanwalt Josh Steinglass nach seinen vielen Telefonnummern fragt, stockt er. »Dies ist kein Quiz«, beruhigt ihn Steinglass. Pecker lacht – ein schrilles Lachen, das durch den Gerichtssaal hallt wie das Meckern einer Ziege. Da lacht selbst das Publikum mit.

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Doch Pecker, 72, ist kein lieber Großvater. Als langjähriger Verleger des US-Klatschblatts »National Enquirer« hat er ohne mit der Wimper zu zucken Karrieren, ja, Leben zerstört. Er ließ Prominente wie Privatpersonen durch den Schmutz ziehen, ließ Fotos fälschen, Opfer bedrohen, Lügen verbreiten, missliebige Wahrheiten mit brutaler Effizienz unterdrücken.

Vor allem aber hat Pecker maßgeblich dazu beigetragen, dass sein alter Freund Donald Trump 2016 die US-Präsidentschaftswahl gewann.

Pecker war Trumps heimlicher Strippenzieher, seine »Augen und Ohren«, wie er mit sichtlichem Stolz sagt. Er kannte nicht nur Trumps intimste Geheimnisse, er sorgte auch dafür, dass diese nie das Licht der Welt erblickten, zumindest nicht, solange das Trump geschadet hätte. Etwa eine von Trump geleugnete Affäre mit der Pornodarstellerin und -regisseurin Stormy Daniels – eine schlüpfrige Story, deren politisches Nachbeben nun zum ersten Kriminalprozess der US-Geschichte gegen einen Ex-Präsidenten geführt hat. Seit letzter Woche läuft der in New York.

Der ultimative Insider-Informant

Die Justiz ruft ihn in diesem Verfahren als ersten Kronzeugen auf. Pecker ist der ultimative Insider-Informant, der aus dem Nähkästchen plaudern soll, geschützt durch einen Immunitätsdeal. Außerdem ist er glaubwürdiger als andere, die später in dieser Sache aussagen sollen – namentlich Trumps windiger Ex-Anwalt Michael Cohen, der die Überweisung an Daniels getätigt hatte. Das macht Pecker zum idealen Zeugen für den Auftakt.

Die Nacken recken sich, als er in den eiskalten Saal 1530 schlurft. Anders als die meisten Akteure dieses Sensationsprozesses ist Pecker weitgehend unbekannt. Er mied das Rampenlicht, wirkte im Zwielicht, fernab neugieriger Blicke.

Nun sind alle Augen auf ihn gerichtet. Auch die von Trump, der vorn schlapp am Anklagetisch hockt und seinen einstigen Freund durch zusammengekniffene Lider mustert. Er weiß, dass Pecker ihn der Staatsanwaltschaft auf einem polierten Silbertablett ausliefern wird.

Trump ist angeklagt, eine Schweigegeldzahlung an Stormy Daniels, bürgerliche Stephanie Clifford, vertuscht und damit aufs Wahlergebnis 2016 Einfluss genommen zu haben. Daniels bekam demnach auf Vermittlung von Pecker 130.000 Dollar, um mit ihrer Story einer angeblichen Affäre mit Trump nicht an die Öffentlichkeit zu gehen. Das allein ist nicht strafbar – doch eine damit verbundene Fälschung von Geschäftsunterlagen zu Wahlzwecken potenziell doch.

Pecker stammt aus der Bronx, er begann als Buchhalter, erklomm die Etagen des Mediengeschäfts, leitete die US-Tochter des französischen Verlags Hachette Filipacchi. Von 1999 bis 2020 war er der Chef von American Media Inc. (AMI), dem außer dem »National Enquirer« noch andere Gossipmagazine gehörten (»In Touch«, »Us Weekly«, »Globe«, »Star«, »Weekly World News«). Er besaß zehn Prozent des Konzerns, hatte also auch finanzielles Interesse an der Auflage. Unter ihm killte der »Enquirer« die Präsidentschaftshoffnungen des Demokraten John Edwards, indem er seine außereheliche Affäre bekanntmachte, enthüllte die Schwangerschaft der damals 17-jährigen Tochter der republikanischen Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin und druckte ein Foto von Whitney Houston im offenen Sarg – als Titelbild.

»Das Einzige, was zählt«, erklärt Pecker, »ist das Cover.«

»Ich nannte ihn Donald«

Dass von vielen AMI-Covern Trump grinste, war kein Zufall. Sie hätten sich Ende der Neunzigerjahre in Trumps Privatklub Mar-a-Lago kennengelernt, erzählt Pecker, und »über die Jahre ein tolles Verhältnis« gehabt. »Ich nannte ihn Donald«, sagt er. Für ihn habe er das Werbemagazin »Trump Style« gelauncht, das in Trumps Liegenschaften auslag. Trump habe ihm immer die Quoten seiner Realityshow »The Apprentice« und andere Interna gesteckt, die der »Enquirer« dann gedruckt habe. Auch habe Trump ihn in die Gesellschaft eingeführt und ihm gezeigt, welche Partys und Events man unbedingt besuchen müsse.

Die Symbiose verstärkte sich im Sommer 2015, als Trump seine Präsidentschaftsbewerbung verkündete. Als Trump dazu über die Rolltreppe ins Atrium des Trump Towers herabschwebte, saß Pecker in der ersten Reihe. Exakt einen Monat später, so Pecker, habe ihn Michael Cohen einbestellt. Bei dem klandestinen Treffen im Trump Tower (»die Trump-Tower-Verschwörung«, so die Anklage) hätten Trump und Cohen ihn gefragt, was er und sein Verlag denn tun könnten, »um der Kampagne zu helfen«. Sie hätten die »Catch and kill«-Strategie beschlossen: Fortan werde der »Enquirer« alles aus dem Weg räumen, was Trump »peinlich« werden könnte, vor allem Frauengeschichten.

»Mr. Trump war als der begehrteste Junggeselle bekannt«, sagt Pecker, obwohl Trump seit 2005 mit seiner dritten Frau Melania verheiratet war.

80 Prozent der »Enquirer«-Leserschaft hätten Trump als Präsidenten sehen wollen, rechtfertigt er sich. Das flankierte das Schmierblatt mit Lügen über Trumps Widersacher. Staatsanwalt Steinglass präsentiert dazu einige der Schlagzeilen von damals: »Ted Cruz Sex-Skandal: 5 heimliche Geliebte.« »Hillary: Nur noch sechs Monate zu leben.« Alle seien frei erfunden gewesen, oft auf direkten Wunsch von Trump oder Cohen. Das waren die wahren »fake news«, lange bevor Trump diesen Begriff gegen die Medien instrumentalisierte.

Die Akten der mutmaßlichen Affären – auch die über Trump – lagerten in der New Yorker »Enquirer«-Zentrale in einem Safe. »Er war so groß wie ein Minikühlschrank«, berichtete Lachlan Cartwright, der frühere »Enquirer«-Vizechefredakteur, neulich in der »New York Times«.

»Dino the Doorman«

Die erste Gefahr für Trump, auf die Peckers Konsorten 2015 aufmerksam wurden, war nach Angaben des Verlegers ein Mann namens Dino Sajudin, ein früherer Pförtner des Trump World Towers, eines Wolkenkratzers an der Uno. »Dino the Doorman«, wie die Medien ihn später tauften, ging demzufolge mit der Geschichte hausieren, Trump habe ein uneheliches Kind mit einem Zimmermädchen. Als Pecker das erzählt, rührt sich Trump, der ihm bisher meist regungslos am Anklagetisch gegenüber gesessen hat, er runzelt die Stirn und schüttelt den Kopf.

Obwohl sich Sajudins Behauptung als »tausendprozentig unwahr« entpuppt habe, habe man ihm für sein Schweigen 30.000 Dollar gezahlt, bestätigt Pecker. Als Beleg präsentiert Staatsanwalt Steinglass einen Vertrag vom 15. November 2015, unterzeichnet von Sajudin und einer »Enquirer«-Redakteurin. Auch wenn die Geschichte wahr gewesen wäre, hätte man sie erst nach der Wahl gedruckt, um Trump nicht zu schaden, sagt Pecker. Das hätte ihnen wahrscheinlich »die höchste Auflage seit dem Tod von Elvin Presley« beschert.

Die nächste »Catch and kill«-Kandidatin war Karen McDougal, ein früheres Playmate, die mit Trump ein Liebesverhältnis gehabt haben will. Auch sie wollte das vor der Wahl 2016 zu Geld machen und wurde laut Anklage mit 150.000 Dollar kaltgestellt. Doch bevor Pecker viel darüber erzählen kann, ist der Verhandlungstag auch schon vorbei.

Am Donnerstag geht es weiter. Es wird erwartet, dass Pecker dann ausführlich über Stormy Daniels erzählen wird. Auf die wurde der »Enquirer« der Anklage zufolge ebenfalls kurz vor der Wahl aufmerksam. Zu dem Zeitpunkt habe sich Pecker aber geweigert, die hohen Kosten zu übernehmen. Weshalb Michael Cohen das selbst getan und sie Trump in Rechnung gestellt hatte – ein fataler Fehler, der dazu führte, dass Cohen ins Gefängnis kam und Trump angeklagt wurde.

Auch den »Enquirer« holte das Schicksal ein. 2019 veröffentlichte er intime SMS von Amazon-Chef Jeff Bezos und seiner Freundin Lauren Sánchez. Bezos schlug zurück, indem er dem »Enquirer« Erpressung vorwarf. Der Skandal schlug internationale Wellen. Kurz darauf stieß AMI die meisten Magazine ab, darunter den »Enquirer«. Pecker verlor seinen Verlegerjob und wurde zum externen »Berater« herabgestuft.

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